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Isabelle Vandré, Mitglied des Bundestages

Wie wir alle die "bedürftigen" Superreichen finanzieren

privat
Isabelle Vandré
Das Foto zeigt Isabelle Vandré.

Meine jüngste Erkenntnis: Die aktuelle Erbschafts- und Schenkungssteuer ist ein absoluter Witz. Die Steuer, die eigentlich die extreme Vermögensungleichheit in Deutschland abmildern und Geld für die öffentliche Infrastruktur der Länder wie Schulen, Krankenhäuser oder Straßen bereitstellen soll, ist in der Realität durch umfangreiche Ausnahmen und hohe Freibeträge zu einem traurigen Witz verkommen. Selbst die Tabaksteuer, die Raucher*innen auf Zigarettenpackungen zahlen müssen, bringt dem Staat mit 14,7 Milliarden Euro 2023 mehr Geld ein als die Erbschaftssteuer mit lediglich 9,3 Milliarden Euro.

Nicht ohne Grund wird die Erbschaftssteuer auch unter reichen Familien und Steuerberater*innen »Dummensteuer« genannt – tatsächlich sind die Ausnahmeregelungen so weitreichend, dass sich besonders superreiche Unternehmenserben ganz schön dumm anstellen müssen, damit die regulären Steuersätze wirklich fällig werden.

Obwohl der Steuersatz regulär höher wird, je größer das vererbte Vermögen ist und dabei bis zu 50% betragen kann, zahlen Erben von Millionen- und Milliardenvermögen so tatsächlich wenig bis gar keine Steuern auf ihre Erbschaften.

Letztes Jahr haben 45 Großerben zusammen zwölf Milliarden Euro geerbt – und darauf im Schnitt nur rund 1,5% Steuern bezahlt. Eine Krankenpflegerin muss also auf ihr erarbeitetes Einkommen deutlich mehr Steuern bezahlen als ein Erbe auf seine leistungslos erhaltenen Milliarden.

Grund dafür ist die sogenannte »Verschonungsbedarfsprüfung« für große Unternehmensserben. Das klingt so absurd, wie es ist – Erben von Unternehmensvermögen über 26 Millionen Euro können vollständig von der Erbschaftssteuer verschont bleiben, wenn sie zeigen, dass sie »bedürftig « sind und die Erbschaftssteuer nicht aus ihrem Girokonto bezahlen können.

Das nachzuweisen ist in der Realität auch für Superreiche oft kein Problem – dazu wird das Geld vom Konto einfach schnell in Aktien investiert. Genau dieser Fall ist vor Kurzem passiert: Friede Springer (Witwe von Axel Springer und Milliardärin) schenkte Mathias Döpfner (Chef vom Axel Springer-Verlag und Multimillionär) Aktien im Wert von einer Milliarde Euro. Da die beiden nicht verwandt sind und das verschenkte Vermögen extrem hoch ist, würde darauf regulär der höchste in der Erbschaftssteuer vorgesehene Steuersatz von 50% fällig werden, also 500 Millionen Euro.

Tatsächlich zahlte Döpfner aber keinen einzigen Cent Steuern, da er kurz vor der Schenkung in Aktien investierte und damit so »bedürftig « war, dass er komplett von der Steuer befreit wurde! Das ist eine Steuererleichterung, von der die meisten Arbeitnehmer*innen nur träumen können.

Insgesamt werden Unternehmenserben durch die Verschonungsbedarfsprüfung und anderen Steuererleichterungen jährlich sieben Milliarden Euro von der Steuer erlassen und damit quasi geschenkt, gleichzeitig ist für öffentliche Infrastruktur wie Schulen, Straßen und die Bahn immer noch nicht genügend Geld da und es soll im Bereich der sozialen Sicherungssysteme gekürzt werden.

Während wir also alle die Folgen von klammen Kassen und Sparmaßnahmen tragen, finanzieren wir damit die Steuergeschenke für »bedürftige« extrem reiche Unternehmenserben.

Gerechtigkeit sieht anders aus.