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Dr. Gerd Wiegel

Die AfD im Bundestag - ein Rückblick auf die aktuelle Sitzungswoche

Die Auseinandersetzung mit der AfD wird im Bundestag vor allem auf der Folie der Extremismustheorie geführt. Trotz der aktuellen Debatten über die Bedrohung des Rechtsterrorismus beharren Union und FDP, in Teilen aber auch SPD und Grüne, auf der inhaltsleeren Gleichsetzung von rechts und links unter dem Stichwort „Extremismus“. Die Funktion der Eingrenzung des legitimen politischen Raums auf die vermeintliche Mitte ist klar, verkennt aber bewusst, dass die AfD eben ein Produkt dieser politischen Mitte ist, der ja Stichwortgeber wie Sarrazin und Protagonisten wie Gauland, Weidel, von Storch und weitere 90 Prozent etwa der Bundestagsfraktion entstammen.

So war die von der FDP beantrage Aktuelle Stunde „Meinungsfreiheit in Deutschland verteidigen“, die die ganz unterschiedlich motivierte Verhinderung von Auftritten des ehemaligen Innenministers de Maizière in Göttingen, von Bernd Lucke in Hamburg und von Martin Lindner ebenfalls in Hamburg zum Thema hatte, ein Geschenk für die AfD und ihre Opferinszenierung. Ihr Redner Martin Reichardt nutze diese Vorlage genüsslich aus: „Die Verantwortlichen für den Verlust an Meinungsfreiheit in Deutschland, meine Damen und Herren, die sitzen hier im Deutschen Bundestag. Ich muss es in aller Deutlichkeit sagen. Ich klage Linke, Grüne und SPD an, für dieses Klima in Deutschland verantwortlich zu sein. Sie – Sie! – sind die Gesinnungstotalitaristen, die im jakobinischen Wahn jeden als ‚Rassisten‘ und ‚Nazi‘ diffamieren, der Kritik an Masseneinwanderung oder Migrationsfolgen oder schlicht an Ihrem totalitären Weltbild übt, meine Damen und Herren, und das ist sehr traurig. (…) Gewalt ist Teil der linken politischen DNA. (…) Meine Damen und Herren, das deutsche Volk stellt Ihnen allen ein verheerendes Urteil aus. Sie sind mit Ihrem unklaren Verhältnis zur Gewalt die Totengräber der Meinungsfreiheit und damit letztlich der Demokratie in Deutschland. Aber – das will ich Ihnen auch ganz klar sagen – trotz Antifa-Gewalt und Staatsmillionen für linke Hetze werden Sie das Volk verlieren, so wie Sie es 1989 trotz Mauer und Stasi verloren haben. Ich sage Ihnen jetzt zum Abschluss: Wir als AfD, wir sind die Partei, die sich immer gegen jede Form von Extremismus und Antisemitismus gewandt hat. Das ist unsere politische DNA.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 120. Sitzung, S. 14835 f.)

Marc Jongen nimmt den Ball als zweiter Redner gerne auf und wendet sich an die bürgerlichen Parteien: „Für die Alternative für Deutschland ist das tagtägliche Realität im demokratischen Rechtsstaat Deutschland. Deshalb können wir uns ein sehr bitteres Lächeln nicht verkneifen, wenn nun auch Herr Lindner von der FDP oder Herr de Maizière von der CDU – der eine an der Universität Hamburg, der andere beim Versuch einer Lesung in Göttingen – an ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung gehindert worden sind, meist ja von sogenannten Linksaktivisten, in Wahrheit Linksfaschisten. Jetzt, wo es Ihnen selber passiert, ist die Empörung groß. Aber Sie haben dadurch Gelegenheit, zu begreifen: Es sind die Geister, die Sie selber riefen, die jetzt über Sie herfallen. – Mit diesen linksradikalen Kräften paktieren Sie in Wahrheit jedes Mal, wenn Sie sich hier mit Linken und Grünen zusammen ‚die demokratischen Fraktionen‘ nennen und im Namen der Demokratie immer neue Maulkörbe erlassen und die Zensurmaßnahmen der EU durchwinken wie jüngst im Rahmen des Global Compact for Migration.“ (Ebd., S. 14842)

Von den weiteren Themen der Woche lohnt nur ein Blick auf die AfD-Positionen in einigen sozialpolitischen Debatten. Nach wie vor macht sich die Bundestagsfraktion zum Anwalt der sogenannten „Besserverdienenden“, vor allem, wenn es um Steuerfragen geht. Zusammen mit der FDP tritt die AfD für die sofortige Abschaffung des Solidaritätszuschlags ein. Die von der SPD in der Regierung durchgesetzte Regelung sieht vor, dass nicht alle befreit werden, sondern die obersten 10 Prozent der Einkommensskala diese Steuer weiter zahlen müssen, was auf den entschiedenen Widerstand von AfD und FDP trifft. Für die AfD sind diese 10 Prozent die eigentlichen Leistungsträger des Landes, was viel über ihr Bild von den „kleinen Leuten“ aussagt. Ihr Abgeordneter Stefan Keuter sagt: „Der Solidaritätszuschlag soll nur für 90 Prozent der Steuerzahler abgeschafft werden. 10 Prozent sollen ihn weiter zahlen. Diese 10 Prozent allerdings stehen für die Hälfte des Steueraufkommens. Das sind gut 10 Milliarden Euro. Sie schröpfen also hier die Leistungsträger unserer Gesellschaft.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 121. Sitzung, S. 14876)

In der Debatte zu einem Antrag der Grünen für eine „Kindergrundsicherung“ werden von der AfD der Sozialstaat generell und jede Form der (bescheidenen) Umverteilung von oben nach unten in Frage gestellt. Die als Maßnahme gegen Kinderarmut gedachte Kindergrundsicherung sei, so der Abgeordnete Johannes Huber, „der absolut falsche Anreiz, der am meisten die Menschen belohnt, die nicht arbeiten. Auf jeden Fall motiviert dieser Antrag Menschen nicht dazu, ein höheres Einkommen anzustreben.“ (Ebd., S. 14922) Das ist das typisch neoliberale Argument der „sozialen Hängematte“, in die sich Empfänger_innen von Sozialleistungen begeben würden. Huber fährt mit Argumenten fort, die von dieser Seite schon immer zur Schleifung des Sozialstaates genutzt werden: „Während wir von der AfD sagen: ‚Arbeit muss sich wieder lohnen‘, entfremden Sie gesellschaftliche Gruppen voneinander, zerstören die Bindungen ganzer Familien und degradieren sie zu Bittstellern und Transferabhängigen. Wir dagegen fordern Gerechtigkeit für Familien statt Almosen von Gnaden linksgrüner Umverteiler.“ (Ebd.)

Sein Fraktionskollege Thomas Ehrhorn spitzt diese neoliberale Argumentation in darwinistischer Art und Weise zu, wenn er ausführt: „Sie träumen den schönen Traum vom leistungslosen Wohlstand. Sie verfolgen den Plan vom ultimativen Sozialstaat mit fließendem Übergang in den Sozialismus. (…) So haben Sie aus der sozialistischen Umverteilung von Reich zu Arm längst eine Umverteilung von den Produktiven zu den Unproduktiven gemacht.“ (Ebd., S. 14928) Die „Unproduktiven“, das sind für die AfD Menschen, die ohne Arbeit sind, aber auch Menschen, die so geringe Einkommen haben, dass sie auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind.

Alle Debatten können hier nachgelesen werden:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19120.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19121.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19122.pdf 


Dr. Gerd Wiegel ist Referent der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag.