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Dr. Gerd Wiegel

Die AfD im Bundestag - ein Rückblick auf die aktuelle Sitzungswoche

Die Thüringer Ereignisse, die Wahl eines Ministerpräsidenten mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD, überschatteten die gesamte Parlamentswoche im Bundestag. Von der AfD wurde dies vor allem dazu genutzt, Demokratie und Parlamentarismus zu diskreditieren und eine Parallelisierung von Bundesrepublik und DDR in ihrem Endzustand zu zeichnen. Befeuert werden soll damit eine Abwendung vom politischen System, das als undemokratisch, volksfern und kurz vor dem Kollaps stehend charakterisiert wird, womit die im rechten Milieu vorherrschenden Vorstellungen eines nahenden „Tages X“, auf den man sich vorbereiten müsse, weiter angeheizt werden.

AfD-Abgeordnete nutzen von der Fragestunde bis zu thematisch völlig anderen Debatten jede Gelegenheit, um vor allem die Hassfigur Nr. 1 der Partei, Kanzlerin Merkel, anzugreifen. So beginnt der Abgeordnete Hemmelgarn seine Rede zum Thema „Verlängerung der Mietpreisbremse“ folgendermaßen: „Zunächst möchte ich sagen, dass ich dankbar dafür bin, heute hier sprechen zu dürfen, dankbar dafür, dass meine Wahl nicht rückgängig gemacht wurde, wie das jetzt offenbar zur Demokratiesimulation der Bundesregierung gehört. Ich freue mich auch, dass die Kollegen von der Union wohl noch vollzählig sind und niemand im Zuge einer Säuberungsaktion aus dem Parteikader geflogen ist. Man muss mittlerweile dankbar sein für den kläglichen Rest der Meinungsfreiheit, der diesem Land geblieben ist. Im Jahr 15 der Regentschaft der ehemaligen FDJ-Sekretärin Angela Merkel ist unser Staat nicht nur auf dem Weg in eine sozialistische Mangelwirtschaft, sondern zeigt auch repressive Tendenzen, die einem Angst und Bange machen. Anders als die Kanzlerin meint, ist die Meinungsfreiheit nicht schon dann gegeben, wenn man ihr in einer Podiumsdiskussion eine kritische Frage stellen darf und dafür noch nicht verhaftet wird. Als AfDler ist man derzeit froh, wenn man von öffentlichen Veranstaltungen unbeschadet nach Hause kommt und den linksextremen Schlägertrupps der Antifa entgeht, die wahrscheinlich aus dem Regierungsprogramm ‚Demokratie leben!‘ finanziert werden. Angeheizt wird der Kampf gegen uns ‚subversive Elemente‘ dann vom ‚Schwarzen Kanal‘ der Staatssender.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll der 147. Sitzung, S. 18361)

In der von der LINKEN beantragten Aktuellen Stunde zur Ministerpräsidentenwahl in Thüringen wird diese Linie von Alexander Gauland fortgesetzt aber auf das ideologische und machtpolitische Dilemma der Union zugespitzt: „Nicht normal ist es in einer Demokratie, das Ergebnis ‚rückgängig‘ zu machen, wie die Kanzlerin es formulierte, weil die abgegebenen Stimmen ideologisch anrüchig erscheinen. Denn Abgeordnete sind in ihrem Abstimmungsverhalten frei. Nicht einmal Walter Ulbricht wäre hier Frau Merkel gefolgt. Bei dem galt noch die Parole: Wir müssen alles in der Hand haben, aber es muss demokratisch aussehen. – Und das hier sieht nicht mal demokratisch aus.“

Sodann zielt Gauland auf den Teil der Union, der sich – nicht nur in Thüringen – „bürgerliche“ Mehrheiten mit der AfD sehr wohl vorstellen kann, die aber durch eine Ausgrenzung der AfD verbaut würden: „Wenn das gilt, liebe bürgerliche Kollegen, werden Sie künftig häufig auf Görlitzer Koalitionen, also alle gegen einen, zurückgreifen müssen, was uns nur stärker macht. Ob Sie das alles wirklich durchdacht haben? (…) Der nächste Schritt dürfte dann sein, dass das Kooperationsverbot mit der Linken aufgehoben wird, wie es Herr Günther fordert. Ich fürchte, Herr Günther setzt sich eher durch als Herr Ziemiak denn – so seine Logik – die Hufeisentheorie sei falsch, man könne die AfD nicht mit der Linken vergleichen. Stimmt, an einem Ende des Hufeisens steht eine demokratische Volkspartei, am anderen Ende stehen die Erben der Mauermörder, die noch immer Enteignung und Sozialismus fordern. Sollte die CDU, anders als Herr Ziemiak jetzt sagt, diesen Weg gehen und beispielsweise Bodo Ramelow ins Amt verhelfen, ,dann wüsste wirklich niemand mehr, wofür die Christdemokraten stehen‘, wie es der Kommentator der ‚Welt‘ formuliert hat. Meine Damen und Herren, uns kann das nur recht sein. Wir wären dann die einzige Oppositionspartei, und die Union würde die SPD auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit begleiten. (…) Schade nur, liebe Kollegen von der CDU, dass dann eine bürgerliche Mehrheit auf lange Zeit keine Machtoption mehr sein dürfte.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll der 146. Sitzung, S. 18267 f.)

Thüringen hat gezeigt, dass Gauland hier einem Teil in der CDU aus dem Herzen spricht und die AfD unter seiner Führung wird einiges dafür tun, diesen Teil der CDU zu stärken ohne die eigene Stärke zu gefährden. Insofern richten sich alle Blicke auf die Union, wie lange sie die Barriere nach rechts noch aufrechterhalten will. Immer klarer wird, dass die inhaltsleere Gleichsetzung von rechts und links unter dem Stichwort „Hufeisentheorie“ nicht länger haltbar ist. Jan Korte für DIE LINKE hat diese Gleichsetzung und die historische Dimension des Tabubruchs der Konservativen zum Thema seiner großartigen Rede gemacht: https://dbtg.tv/fvid/7427567 Die ganze Debatte zu Thüringen kann hier nachgehört werden: https://dbtg.tv/fvid/7427556 

Im April soll der lange angekündigte Parteitag der AfD zum Thema Sozialpolitik stattfinden und u.a. ein Rentenkonzept der Partei verabschieden. Die neoliberalen Privatisierungsvorschläge von Parteichef Meuthen scheinen vom Tisch zu sein, so dass die AfD versuchen wird, sich als sozialpatriotische Partei der „kleinen Leute“ zu inszenieren. Woche für Woche zeigt ihr Agieren im Bundestag jedoch, dass ihre reale Politik ganz andere Interessen bedient. Den Antrag der LINKEN „Betriebsräte vor mitbestimmungsfeindlichen Arbeitgebern schützen“ lehnt Jürgen Pohl für die AfD in der Manier eines Mittelstandsvertreters ab: „Wir wollen kein Gegeneinander wie Sie, wir wollen einen vernünftigen Umgang miteinander. Das heißt, wir wollen zufriedene Mitarbeiter und ein Unternehmen, das seine Betriebsziele erreicht. Natürlich – das ist klar, und da rufen Sie ja schon dazwischen – verkennen wir nicht, dass es im Betrieb auch gegensätzliche Interessen gibt. Diese gegensätzlichen Interessen müssen aber im Geiste der Sozialpartnerschaft gelöst werden und nicht, wie Sie es vorhaben, Genossen von den Linken, im Klassenkampf. Das ist falsch.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll der 146. Sitzung, S. 18248) Einschüchterung von Betriebsräten, Union-Busting (vgl. https://www.dgb.de/themen/++co++d00bf11e-6543-11e7-9563-525400e5a74a) – alles vielfach dokumentiert und belegt – existierte für die AfD offenbar nicht. Weiter Pohl: „Die Linken sprechen in ihrem Antrag von unerträglichen Grauzonen, von Betriebsrats- und Gewerkschaftsbashing, also Verfolgung. Das ist grober Unfug. In Einzelfällen kommt so etwas vor, im Großen und Ganzen herrscht aber Betriebsfrieden in den Unternehmen, vor allen Dingen in den kleinen Unternehmen, in den mittelständischen und Familienunternehmen.“ (Ebd., S. 18249) Und schließlich macht Pohl klar, an wessen Seite sich die AfD im Zweifelsfall sieht: „Es widerspricht zutiefst dem Geist der Sozialpartnerschaft, dem Arbeitgeber mit Strafvorschriften zu drohen. Drohungen, Strafen und Verbote sind das Weltbild linker Demagogen.“ (Ebd.)

Ganz auf dieser Linie steht die AfD auch in der Mietenfrage an der Seite von Immobilienkonzernen und Vermietern und gegen die Interessen von Mieterinnen und Mietern. Bei Stephan Brandner hört man: „Meine Damen und Herren, die AfD ist die einzige Partei, die standhaft bleibt und sagt: kein enteignungsgleicher Eingriff, kein Mietendeckel, keine Mietenfräse und überhaupt keine Drangsalierung von Mietern und Vermietern.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll der 147. Sitzung, S. 18368) Fast könnte man einen Zusammenhang zwischen solchen Positionen und der Tatsache vermuten, dass einige der finanzstarken Großspender der AfD ihr Geld mit Immobiliengeschäften gemacht haben.

Alle Fraktionen außer der AfD hatten Anträge zur „Anerkennung der damals sogenannten ‚Asozialen‘ und ‚Berufsverbrecher‘ als Opfergruppe der Nationalsozialisten“ eingebracht. Bemerkenswert in dieser Debatte war das Bekenntnis von Marc Jongen – immerhin in der Sitzungswoche nach dem Gedenken an den 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz –, dass man sich als AfD einer „Olympiade der Betroffenheit“ und einem „stahlharten Gehäuse normierten Gedenkens“ künftig entziehen werde. Jongen versteckte sich dafür hinter Zitaten: „Die Historikerin Ulrike Jureit und der Soziologe Christian Schneider, beide nicht AfD-verdächtig, haben in ihrem lesenswerten Buch von 2010 ‚Gefühlte Opfer. Illusionen der Vergangenheitsbewältigung‘ – hören Sie da einmal zu – zu Recht festgestellt: Die deutsche Gedächtniskultur ist von einer ‚Wiederholungsphobie‘ geprägt, die jeder nachwachsenden Generation eingeimpft wird. ‚Moral-Eliten‘, so die Autoren, halten ‚das Zepter der kulturellen Hoheit fest in der Hand‘ und veranstalten eine – Zitat – ‚Olympiade der Betroffenheit‘, sie hätten ein ‚stahlhartes Gehäuse normierten Gedenkens‘ etabliert. An diesem Gehäuse bauen Sie heute weiter, aber Sie bauen ohne uns. Wir lassen uns unser moralisches Urteil nicht eintrüben, nicht von Ihrer theatralisch zur Schau gestellten Betroffenheit und auch nicht von Ihren Drohgebärden.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll der 146. Sitzung, S. 18327)

Alle Debatten können hier nachgelesen werden:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19145.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19146.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19147.pdf


Dr. Gerd Wiegel ist Referent der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag.